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Das Gipfelbuch von German Adventurer

zur Skiroute Hoch Tirol plus

Prolog

Die Hoch Tirol ist für viele Skitourengeher:innen der wahrscheinlich größte Traum in den Ostalpen. Auf einer beeindruckenden Route durch Osttirol verbindet sie einige der bekanntesten Berge der Hohen Tauern und findet dann ihr spektakuläres Finale am Großglockner. Jeden Tag sind Gipfel und Übergänge über der 3000er-Marke dabei und die Aussicht reicht von den Dolomiten bis zu den Berchtesgadener Alpen.


Anfang März 2022 brechen wir auf, um dieses Abenteuer zu erleben und zu dokumentieren. Wir, das sind mein Kumpel Ueli Reißner, Bergführer Toni Riepler und ich, Thomas Herdieckerhoff. Allerdings haben wir uns relativ spontan für eine Variante der Route entschieden, die wir Hoch Tirol plus nennen, da sie einige zusätzliche Gipfel und ein paar Höhenmeter mehr mit sich bringt als die Originalroute.

Gipfelbuch Mittlere Malhamspitze - Etappe 1

Wir starten in Ströden am letzten Ende des Virgentales in Osttirol und nicht wie die klassische Hoch Tirol in Kasern im italienischen Ahrntal. Das hat den Vorteil eines wesentlich kürzeren Transfers vom Autodepot am Ende der Route zum Ausgangspunkt. Zum anderen können wir so noch die Mittlere Malhamspitze (3.364m) mitnehmen. Früh geht es los ins schmale Maurertal. Schon bald müssen wir die Skier für fast 400 Höhenmeter in den Händen tragen. Obwohl wir eigentlich früh in der Hoch Tirol- Saison unterwegs sind (die Hütten öffnen erst Ende Februar), gab es diese Saison einfach so wenig Schnee und so viel Wind, dass hier unten schon jetzt sommerliche Verhältnisse vorherrschen. Ein Einheimischer – laut unserem Osttiroler Bergführer Toni, ein „Prägratener Urgestein“ – überholt uns im zügigen Schritt. Endlich auf Schnee angekommen, wechseln wir über den eingefrorenen Bach auf die linke Talseite. Wir versuchen zunächst den Spuren unseres Vorgängers zu folgen, dessen Spitzkehren sind aber so brutal steil angelegt, dass wir hier und da unsere eigene Spur legen. Jetzt in der Sonne ist es angenehm, die Luft ist kühl, die Sonnenstrahlen wärmend. Als es etwas steiler wird, packen wir zum ersten Mal unsere Harscheisen, welche im Laufe unserer Tour überraschenderweise die vielleicht wichtigsten Ausrüstungsstücke sein werden, aus. Danach knacken wir auf einem flach ansteigenden Gletscher die 3000er-Marke. Die Dolomiten kommen in unser Blickfeld und die Aussicht über die Osttiroler Bergwelt wird immer besser. Am Grat angekommen, errichten wir ein Skidepot und überwinden das letzte Stück unschwierig zu Fuß. Nach über 1.900 Höhenmetern ist die Mittlere Alhamspitze (3.364m) erreicht, der erste Meilenstein geschafft und ehrfürchtig blicken wir in Richtung Großglockner am Horizont. Noch erscheint es nahezu unmöglich, diesen in sechs Tagen auf Ski zu erreichen. Während Ueli und ich die Pause dankbar nutzen, um neuen Brennstoff zu uns zu nehmen, geht Toni auf Steinsuche – er ist ein absoluter Mineralien-Fan.

Vom Skidepot aus geht es für uns auf der anderen Seite des Berges hinunter. Über einen schmalen, steilen Schneestreifen erreichen wir ein Kees, auf dem wir eine überraschend gute Abfahrt genießen. Auf dem Umbalkees fellen wir auf, hier stoßen wir wieder auf die Originalroute, die vom Umbaltörl aus Italien kommt. Jetzt noch mal alle Kräfte zusammen nehmen für den Anstieg. Mit der gewaltigen Rötspitze im Rücken und der Dreiherrenspitze zur Linken steigen wir angeseilt hinauf. Am Reggentörl (3.047m) angekommen, bemerke ich mit einem Blick auf meine Uhr, dass wir schon über 2.300 Höhenmeter hinter uns gebracht haben. „Wie viel?“, fragt Toni augenzwinkernd. „Ach, deswegen bin ich so müde!“, und er lässt absichtlich offen, ob ihm bewusst war, wie hart genau diese erste Etappe werden würde. Auf der anderen Seite fahren wir ab zur Essen-Rostocker Hütte.

 

In der gemütlichen Hütte bemerken wir das Interesse des Personals an unserer Tour. Einige von ihnen planen selber Skitouren für den nächsten Tag. Wir haben einiges verbrannt und schlagen bei den leckeren Gnocchi voll zu. Hüttenwirt Thomas Ludwig setzt sich nach dem Abendessen zu uns. Ihm ist es wichtig sich mit Leuten auszutauschen, die selbst viel Spaß am Bergsport haben und die Umgebung erkunden wollen. Er ist froh, nach zwei durch Corona geplagte Saisonen, jetzt wieder voll in Betrieb zu sein.

 

Etappe 1 auf der interaktiven Karte Osttirol ansehen! 

Gipfelbuch Großer Geiger - Etappe 2

Nach dem anstrengenden Auftakt am Vortag erwarten wir mit etwa 1.400 Höhenmeter heute einen regelrechten Pausetag – naja, so viel „Pause“, wie man auf der Hoch Tirol plus eben bekommt. Nach einem flachen Hatscher ans Ende des Tals kommen schon bald wieder unsere heiß geliebten Harscheisen zum Einsatz. Nun angeseilt erreichen wir auf dem Gletscher einen faszinierenden Eisbruch. In Spitzkehren navigieren wir durch die blau-weiß glänzenden Eisbrocken, die sich links und rechts von uns auftürmen. Am Fuß der Gipfelformation des Großen Geigers (3.360 m) tauschen wir die Ski gegen Steigeisen ein und stapfen in Stufen eine Schneerinne hoch, bis sich das Gelände zurücklehnt und das Gipfelkreuz auftaucht. Während uns unten eiskalte Winde zugesetzt haben, können wir uns hier über absolute Windstille freuen und kosten die makellose Aussicht bei einer längeren Gipfelrast aus.

Vom Großen Geiger bis zum Türmljoch steht uns nun eine Querung bevor, die je nach Schneeverhältnissen mehr oder weniger Gegenanstiege erfordert. Wir gönnen uns ein paar mehr Abfahrtshöhenmeter auf einer dünnen Schicht Pulverschnee, damit sich das erste Anfellen wieder etwas lohnt. Beim Aufstieg halten wir auf den Großen Happ zu und irgendwann wundere ich mich, warum wir nicht schon wieder die nächste Abfahrt starten können. Toni hält auf einen großen Felsblock zu und dreht sich grinsend um: „Sehr vielversprechende Formation für Mineralien“. Wir fellen wieder ab und Toni untersucht das Gestein. „Und hast was gefunden?“, „Nicht genug zum Dritteln“, antwortet er lachend. Nach etwas Abfahrt und einigem Traversieren müssen wir – für mich unerwartet – erneut auffellen. Inzwischen knallt die Sonne voll in unseren Westhang und die vielen Ausrüstungswechsel sind anstrengend und etwas zermürbend. Ich teile den anderen mit, was mir gerade klar wird: „Auf der Hoch Tirol plus gibt es wohl keinen Pausetag“. Denn bis wir endlich das Türmljoch, einen Einschnitt neben einem prekär wirkenden Felsturm, erreicht haben, ist auch dieser vorerst kürzeste Tag schon relativ kräftezehrend geworden. Durch eine steile Rinne geht es hinab zur Johannishütte. Hier muss einmal erwähnt werden, dass wir zwar teilweise nicht den besten Schnee haben, solch steile Abfahrten am Ende eines langen Tages aber auch nur bei relativ sicheren Lawinenverhältnissen gefahren werden können. Bei täglicher Lawinenwarnstufe 1 ist dies bei uns bedenkenlos möglich.

 

In der Johannishütte erwartet uns eine mollig warm eingeheizte Gaststube und exzellentes Abendessen. Die Hüttenwirtin erzählt uns, dass das Interesse an der Hoch Tirol für längere Zeit nicht besonders hoch war, aber in den letzten fünf Jahren scheint die Route wieder deutlich an Beliebtheit gewonnen zu haben. Wir versichern ihr, dass wir versuchen werden, mit unseren Bildern und Berichten weiter zu diesem Trend beizutragen.

 

Etappe 2 auf der interaktiven Karte Osttirol ansehen! 

Gipfelbuch Großvenediger - Etappe 3

Der „Weltalten Majestät“ soll es heute aufs Haupt gehen, wie der Erstbesteiger Kürsinger den Großvenediger (3.666m) genannt hat. Dazu müssen wir zunächst ein eher mühsames Gelände mit vielen Kuppen und Felsen bewältigen, bis über uns das Defreggerhaus auftaucht, welches im Winter nicht bewirtet wird. Auf der Sonnenseite der Hütte nehmen wir ein paar Minuten Schutz vor den eisigen Windböen, die uns heute begleiten. Auf dem weiteren Weg zum Gletscher hinauf erleben wir die bisher niedrigsten Temperaturen. Am Grat ist der Schnee so abgeblasen, dass wir die Skier einige Meter querend und dann hinunter auf den Gletscher tragen müssen. Zum Glück ist der Wind hier etwas schwächer. Am Seil steigen wir über das Rainerkees am Fuße des markanten Rainerhorns vorbei. Unter einer steilen Gletscherstufe, die uns vor dem Wind schützt, genehmigen wir uns noch einen Snack, bevor es zum Rainertörl hinauf geht. Hier oben haben extreme Winde ihr Unwesen getrieben. Wir finden eine zerklüftete Harschlandschaft vor mit teilweise tischgroßen Windgängen. Mit den Skiern im Aufstieg muss man sich irgendwie durchschlängeln oder darübersteigen, zum Abfahren wäre dieses Gelände ungeeignet. „Hoffentlich ist unsere Abfahrtsroute besser!“, rufe ich zu den anderen vor. Wir steuern auf den Gipfelgrat zu und der schöne vergletscherte Gipfel kommt in Sicht. Das große Gipfelkreuz überragt den vom Wind angehäuften Schneehügel nur noch um wenige Zentimeter. Auf einem scharfen Firngrat überwinden wir die letzten Meter und freuen uns über diesen großartigen Gipfel. Hier auch noch ganz alleine zu stehen ist keine Selbstverständlichkeit am Großvenediger. Direkt am Gipfel ist der kalte Wind nicht lange zu ertragen, aber ein paar Meter unterhalb des Firngrates ist es sehr angenehm. Also genießen wir dort eine Weile die Aussicht und fachsimpeln über die Namen der zahllosen Gipfel, die zu sehen sind.

Der Anfang der Abfahrt ist kein Genuss. Bis zum Kleinvenediger hinunter muss man Angst haben, dass einem beim Brettern über den steinharten Schnee die Kniescheiben rausfliegen oder man die Ski verliert. Aber dann wird es schnell besser und wir ziehen weite Schwünge auf einer dünnen Powderschicht. Die Spaltenzonen, auf die man hier achten muss, können gut umfahren werden. Die Abfahrt macht so richtig Spaß und das auf insgesamt sage und schreibe 2.200 Abfahrtshöhenmetern. Unter der Neuen Prager Hütte queren wir vorbei bis zur Alten Prager Hütte, von wo aus wir ins Gschlösstal hinuntersehen können. In weiterhin passablem Schnee fahren wir bis auf den Talboden ab. Hier beginnt noch mal eine neue Disziplin des Skitourengehens, denn die restlichen fünf km zum Ende der Etappe muss viel geskated werden. Obwohl es eigentlich leicht abwärtsgeht, ist das noch mal ziemlich anstrengend. Die kleinen Holzhütten und Scheunen in Innergschlöss und Außergschlöss sind sehr idyllisch und ergeben vor der Kulisse des Großvenedigers und seiner Trabanten ein malerisches Bild ab. Ab Außergschlöss wird es wieder steil genug für eine normale Abfahrt auf dem Forstweg. Auf den letzten Metern vor dem Ziel passieren wir ein paar Leute. „Das war der Hatzer Sigi, der Erfinder der Hoch Tirol“, teilt Toni uns mit. Na so ein Zufall, was der wohl davon hält, wenn wir hier ein paar neue Varianten vorschlagen? Am Matreier Tauernhaus angekommen haben wir wahnsinnigen Hunger. Aber man teilt uns zunächst mit, dass es bis zum Abendessen nichts mehr zu essen gibt, da eigentlich Ruhetag ist. Zum Glück erklärt sich die Mitarbeiterin an der Rezeption bereit, uns doch noch etwas zu kochen: „Wollt ihr einen oder zwei Kaspressknödel in eure Suppe?“„Gehen auch drei?“, fragt Ueli. 

 

Etappe 3 auf der interaktiven Karte Osttirol ansehen! 

Gipfelbuch Granatspitze - Etappe 4

An diesem Tag steht wieder einiges auf dem Plan. Man startet je nach Schneelage direkt am Matreier Tauernhaus oder organisiert sich einen Transport zum Südportal des Felbertauerntunnels. Von dort folgen wir bei Sonnenaufgang den Windungen eines Forstweges in ein schmales, schattiges Tal. Für eine Steilstufe legen wir wieder die Harscheisen an. In Spitzkehren geht es verkrampft durch den erbarmungslos harten Harsch nach oben, ein garstiges Stück, das mir trotz der morgendlichen Kälte die Schweißperlen auf die Stirn treibt – ohne Harscheisen wäre man hier wieder einmal chancenlos. Anschließend gelangen wir aber in schöneres Gelände und man gewinnt immer bessere Ausblicke auf das Großvenediger-Massiv hinter uns. Schon bald legen wir in der Morgensonne unsere Spur in den unversehrten Pulverschnee und können die Amertaler Höhe über uns ausmachen. Angekommen am Sattel zwischen Sillingkopf und Amertaler Höhe wenden wir uns nach links. Viele fahren hier einfach direkt auf der anderen Seite des Sattels ab, aber wir wollen uns die Option einer weiteren Variante offenhalten. Eine Viertelstunde später stehen wir am Gipfel der Amertaler Höhe, der auf der Nordostseite abrupt in eine senkrechte Felswand abbricht. Wir stärken uns und genießen die Aussicht auf unsere gestrige lange Abfahrtsroute.

 

Toni erkundet derweil schon mal die weitere Route – es sollte funktionieren. Mit Skiern am Rücken traversieren wir an einem markanten Felsturm vorbei und klettern dann 10m in leichtem, aber ausgesetztem, kombiniertem Gelände ab, bis wir das darunterliegende Schneefeld erreichen. Wir schnallen die Ski an und fahren in die steile Flanke ein – eine geniale Abfahrtsvariante. Der Schnee ist noch großartig und so kommt uns bis zur Abfahrt auf den zugefrorenen Schandlasee schon der ein oder andere Jauchzer aus.

Danach müssen wir noch mal unsere Kraftreserven für einen langen Anstieg zur Granatscharte mobilisieren. Zum Glück laufen wir hier durch gutmütiges Skitourengelände, in dem man stetig vorankommt und nicht so mühsam wie über die harschigen Steilstufen in der Früh. Vor uns ragt die Granatspitze (3.084m) schon augenscheinlich unbezwingbar in die Höhe. An der zugigen Granatscharte genehmigen wir uns noch eine kurze Pause hinter einem großen Felsbrocken, ehe wir auf der anderen Seite der Scharte zum Ostgrat der Granatspitze queren. Mit Steigeisen gehen wir die schöne Blockkletterei im II. Grad an. Es macht Spaß, auch mal die Beine etwas zu entlasten und sich am soliden Fels mithilfe der Arme hochzuziehen. Schon bald klatschen wir uns am exponierten Felsgipfel ab und freuen uns alle 2.000 Höhenmeter dieser anstrengenden Etappe bewältigt zu haben.
 

Auch die Abfahrt Richtung Rudolfshütte erweist sich wieder als ein Genuss. Für die letzten Meter hinauf zur Hütte kann man entweder noch mal anfellen oder fragen, ob man den kleinen Schlepplift verwenden darf. Wir sind sogar noch rechtzeitig, um uns auf der Terrasse der Hütte in die Sonne zu setzen und auf ein Bier anzustoßen. Die Rudolfshütte ist, anders als die restlichen Hütten der Hoch Tirol, eher ein Hotel als eine traditionelle Berghütte. Da haben wir aber heute auch nichts dagegen, denn ein Saunagang und ein unlimitiertes Buffet zum Abendessen unterstützen definitiv die Regeneration unserer müden Muskeln. 

 

Etappe 4 auf der interaktiven Karte Osttirol ansehen! 

Gipfelbuch Romariswandköpfe - Etappe 5

Heute steht unsere größte und abenteuerlichste Abweichung von der Standardroute an, was nun endgültig das „+“ in unserer Hoch Tirol plus rechtfertigt. Unser Bergführer Toni hatte die Idee für diese Variante und hat uns die letzten Tage über so richtig mit seiner Begeisterung angefixt. Da diese Route nur bei guten Bedingungen gemacht werden kann und diese gerade vorliegen, entscheiden wir uns, diese einmalige Gelegenheit wahrzunehmen, auch wenn es uns einiges abverlangen wird. 
 

Wir steigen zunächst auf der Piste auf und queren unter der Bergstation des Skilifts durch eine steile Flanke nach links. Im ersten Sonnenlicht fahren wir hinunter aufs Ödenwinkelkees. Vor uns bauen sich mehr als 180 Grad um uns herum scheinbar unüberwindbare schroffe Felswände auf. Während wir weiter in diesen schattigen Kühlschrank hineinspuren, wandern meine Augen immer wieder in die steilen Flanken, um die mögliche Route zu finden aber so ganz klar wird mir nicht, wie man da hochkommen soll. Wir weichen dem ersten Gletscherbruch mit tiefblauem Eis steil nach rechts aus und queren darüber flach nach links. In vielen Spitzkehren arbeiten wir uns immer höher und kommen mit den Skiern tatsächlich weiter, als ich von unten angenommen hätte. Für die letzten gut hundert Höhenmeter wird es zu felsig für einen Aufstieg mit Ski und so kraxeln wir mit Ski am Rücken und angelegten Steigeisen auf die Wechte über uns zu. Inzwischen können wir in der Ferne schon die Romariswandköpfe erkennen, die heute noch unser Ziel sind. Geschafft – durch die Wechte können wir uns ohne Probleme durchwühlen und werden auf der Oberen Ödenwinkelscharte (3.228m) von einem frischen Wind empfangen. Nun fahren wir angeseilt mit möglichst wenig Höhenverlust über den flachen Gletscher um den Johannisberg herum. Ohne einen einzigen Schwung gefahren zu sein, erreichen wir den Gletscher unter den Romariswandköpfen. Mit Fellen steigen wir auf einer Rampe unter einem Gletscherbruch auf und dann an einigen großen, gut erkennbaren Spalten vorbei zur Schneewinkelscharte hinauf. Die Skier werden wieder am Rucksack befestigt und mit Steigeisen machen wir uns zu Fuß auf den Weg den Grat entlang. Vor uns ragt schon der erste Turm spitz in die Höhe. Im Süden haben wir inzwischen wieder tolle Ausblicke auf Osttirol. In schöner Kletterei erreichen wir den letzten großen Felsblock des ersten Gipfels. Durch einen Riss auf der linken Seite erklimmen wir diesen mit einigen kräftigen Zügen. Erst von hier sehen wir, dass noch ein beträchtliches Kletterstück vor uns liegt. Auf porösen Felsplatten mit gelegentlichen Sicherungsstangen begeben wir uns zur nächsten Scharte hinunter. Am Grat hinauf zum nächsten Gipfel gelangen wir dann bald zur Schlüsselstelle. Mit ein paar anspruchsvollen Zügen müssen wir eine Steilstufe hinauf, die Schwierigkeit liegt wohl im IV. Grad. Danach geht es in anregender Kletterei einfacher auf den höchsten Punkt hinauf. Endlich erreichen wir den Hauptgipfel der Romariswandköpfe und blicken fasziniert auf den Grat zurück, den wir gerade bewältigt haben.

Angenehm ist, dass man auf der anderen Seite schon wenige Meter unter dem Gipfel, den wir gerade mühsam erklettert haben, die Ski anschnallen kann. Mit so wenig Höhenverlust wie möglich halten wir uns links und fahren unter der Flanke des Teufelskamp vorbei, um es fast ohne Gegenanstieg über eine weithin erkennbare kleine Scharte zu schaffen. Auf dem Teischnitzkees brettern wir über große, unangenehme Windgangeln weiter, bis wir fast unter dem Großglockner stehen. In besserem Schnee machen wir entlang des auslaufenden Stüdlgrates und des Luisengrates unsere ersten Schwünge des Tages und stellen uns dabei schon das Essen auf der Stüdlhütte vor. Wegen geringer Schneelage müssen wir noch einigen felsigen Stellen ausweichen, doch dann kommt die Hütte endlich in Sicht. Auf der Terrasse umarmen wir uns: „Jetzt fehlt uns ja nur noch der Großglockner!“. Auch ein Satz, den man so eher nur am Ende der Hoch Tirol plus hören dürfte, da der Anstieg zum höchsten Punkt Österreichs mit 1.000 Höhenmetern die „einfachste“ Etappe ist. Toni wird direkt von Lydia, der Co. Chefin des Hauses, mit einer herzlichen Umarmung empfangen: „Hallo Nachbar“, sagt sie, denn Toni ist als Hüttenwirt der Adlersruhe hier natürlich allseits bekannt und oft zu Besuch. Vor der Hütte schauen wir bei einer warmen Suppe den Sonnenuntergang an und begeben uns dann für einen gemütlichen Hüttenabend in die Stube.

 

Etappe 5 auf der interaktiven Karte Osttirol ansehen! 

Gipfelbuch Großglockner - Etappe 6

Um 4:45 Uhr klingelt der Wecker, ein letztes Mal früh aufstehen. Im Dämmerlicht verlassen wir die Hütte und traversieren hinüber zum Ködnitzkees. Es ist das erste Mal, dass wir auf der Hoch Tirol plus ein paar mehr Mitstreiter haben, aber auch heute sind es nicht mehr als ein Dutzend. Hinter uns glühen die ersten Gipfel Osttirols, vor uns die Spitze des Großglockners in der Morgensonne. Auch hier liegt ungewöhnlich wenig Schnee für Anfang März. „So sieht es hier manchmal Anfang Juni aus“, merkt Toni an. Das Ködnitzkees steilt auf und unsere Harscheisen bekommen ihren finalen Einsatz. Mit Steigeisen nehmen wir den leichten Klettersteig in Angriff. Mit dem durch die Ski schweren Rucksack merke ich hier richtig, dass die letzten fünf Tage mit anspruchsvollen Skihochtouren nicht spurlos an meinen Beinen vorübergegangen sind. Als wir die Adlersruhe erreichen, fällt uns die Sonne ins Gesicht und ein sagenhaftes Panorama von Kärnten über Osttirol bis ins Salzburgerland tut sich vor uns auf. Sechs Tage waren wir unterwegs durch die Hohen Tauern und kommen am letzten Tag für das Finale an Tonis Hütte an – es fühlt sich wie eine runde Sache an. Während wir gefesselt vom Ausblick auf der Sonnenterrasse stehen, kommt Toni schon in bester Laune mit einem Tablett mit Obstler und einigen Schnapsgläsern aus der Hütte – einer der Vorzüge, wenn man den Hüttenwirt der Adlersruhe dabei hat. Um kurz nach 8 Uhr morgens stoßen wir also zuerst einmal auf die Hoch Tirol plus an, obwohl noch eine letzte große Herausforderung vor uns liegt. 

Vielleicht ist es der wunderbare Bergblick, vielleicht der Schnaps, aber die Kraft und Motivation für die letzten 330 Höhenmeter sind jetzt wieder voll da. Weiter gehts bis zum sogenannten Bahnhof, wo wir die Ski deponieren. Mit Steigeisen steigen wir das Glocknerleitl hinauf. Dann stapfen wir, mit ganz Österreich zu Füßen, bedachten Schrittes im plattgetretenen Schnee nach rechts die Flanke hinauf. Der schmale Grat hinüber zum Kleinglockner ist ein toller Abschnitt – auf beiden Seiten geht es hunderte Meter hinunter und man balanciert wie auf Messers Schneide entlang. Gut zehn Meter geht es hinunter in die obere Glocknerscharte bevor die Schlüsselstelle bevorsteht. Einige Meter steile Felswand (II), die jedoch dank guter Tritte und Griffe sowie Absicherungsmöglichkeiten gut zu meistern sind. Auf den letzten Schritten zum Gipfelkreuz des Großglockners bricht eine Flut von Emotionen über mich herein – wir haben den Höhepunkt der Hoch Tirol plus erreicht! Was für ein Gefühl, hier nach diesen großartigen Tagen mit Ueli und Toni, am höchsten Punkt Österrreichs zu stehen und das auch noch alleine! Es gibt eine Gruppenumarmung und ich will auch mentale Bilder von diesem Moment machen und die Aussicht in mich aufsaugen. Wir haben hart gearbeitet, um hier zu stehen und so ist es umso schöner, dass alles reibungslos funktioniert hat.

 

Konzentriert machen wir uns wieder auf den Abstieg und erreichen ohne Probleme das Skidepot. Anders als beim Aufstieg steigen wir kurz ein paar Meter zu Fuß in das steile Schneefeld über dem Ködnitzkees ab. Dort geht es bei guten Firnverhältnissen zunächst steil hinunter. Nach etwas hartem Schnee auf dem flachen Gletscher erwarten uns auch weiter unten wieder schöne Firnschwünge bei inzwischen frühlingshaften Temperaturen. Bis hinunter zum Parkplatz am Lucknerhaus können wir problemlos abfahren. Wir gratulieren uns gegenseitig zu diesem Erfolg und lassen zum Abschluss noch ein Foto von uns machen – das erste Kamerabild der Tour, auf dem auch ich zu sehen bin. Eine gewaltige Skidurchquerung geht zu Ende und viel besser hätte es nicht laufen können. Während wir im Lucknerhaus auf unser Mittagessen warten, passen wir auf einem Flyer mit einer Karte der Hoch Tirol schon die Route an – Prost auf die Hoch Tirol plus.

 

Etappe 6 auf der interaktiven Karte Osttirol ansehen! 

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